4.6. Toxische Darmerkrankungen

Ursächlich für toxische Darmerkrankungen sind meistens endogene bakterielle Toxine, welche von Bakterien im Darm gebildet werden. Diese werden in 4.7. „infektiöse Darmerkrankungen“ beschrieben.

Neben den Endotoxinen steht die Aufnahme exogener Gifte, in Form von Giftpflanzen und sonstigen Giften oder mit Mykotoxinen belastetem Futter, im Mittelpunkt. (GERBER et al. 2016)

4.6.1. Toxische Darmerkrankungen durch Giftpflanzen

Entstehung und Ursachen

Pferde können giftige Pflanzen auf der Weide, über das Rau- und Krippenfutter, sowie im Gelände bei einem Ausritt oder Spaziergang aufnehmen. In der Regel werden Giftpflanzen von Pferden gemieden, jedoch können unterschiedliche Faktoren und Situationen dazu führen, dass die Tiere die Giftpflanzen doch aufnehmen. Dies geschieht zum Beispiel bei unerfahrenen Jungtieren, bei einer knappen Raufutterversorgung, sowie nach dem Trocknungs- oder Silierprozess, wodurch die Pferde die giftigen Pflanzenteile oft nicht mehr aussortieren können. Aber auch giftige, exotische Pflanzen, welche aus fremden Regionen der Welt stammen, können von Pferden häufig nicht richtig eingeordnet und deshalb gefressen werden. (MEYER und COENEN 2014)

Die Schadwirkungen der Giftpflanzen sind von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich (MEYER, COENEN 2014). In der nachfolgenden Tabelle werden häufig im Futter und auf der Weide vorkommende Giftpflanzen dargestellt, die einen Schaden im Verdauungstrakt nach ihrer Aufnahme verursachen können.

Quelle: modifiziert nach MEYER und COENEN 2014

Pflanzenart Vorkommen giftige Pflanzenteile Schadwirkungen
Adonisröschen Adonis vernalis Heu und Grünland, Wald- und Wegränder, kalkhaltige Böden gesamte Pflanze Schleimhautreizungen
Bingelkraut Mercuria annua & Mercuria perennis Wald- und Wegränder gesamte Pflanze Durchfall, Leberschädigungen
        Buche            Fagus sylvatica Wälder Samen Kolik, Krämpfe
   Buchsbaum    Buxus sempervirens Parkanlagen     Blätter, Rinde    (750g tödlich) Kolik
       Eiche          Quercus ssp. Wälder unreife Früchte, Rinde, junge Blätter Durchfall, Kolik, Harnverfärbungen
 Eisenhut   Aconitum napellus & Aconitum vulparia Wald- und Wegränder gesamte Pflanze (10-12mg Aconitin tödlich) Kolik
  Fingerhut    Digitalis lanata, Digitalis lutea & Digitalis purpurea Wald- und Wegränder Blätter und Samen (25g getrocknete Blätter tödlich) Schleimhautreizungen
Goldregen Laburnum anagyroides Parkanlagen Wurzelrinde, Blüten, Samen Kolik, Krämpfe
Herbstzeitlose Colchicum autumnale Heu und Grünland, Wald- und Wegränder gesamte Pflanze Schleimhautreizungen
   Kartoffel    Solanum tuberosum Gärten Blüten, Beeren Durchfall
    Kreuzkraut     Senecio ssp. Heu und Grünland, Wald- und Wegränder gesamte Pflanze, besonders Wurzel Leberfunktions-störungen
        Pflaume         Prunus domestica Gärten unreife Früchte Kolik

getrocknete Herbstzeitlose im Heu

Abbildung: Getrocknete Herbstzeitlose aus dem Heu mit Kapselfrüchten

Im frischen Zustand werden die giftigen Pflanzen des Grünlandes vom Pferd in der Regel gemieden. Durch die Konservierungsprozesse des Trocknens und Silierens können die Tiere die Giftpflanzen jedoch häufig nicht mehr aussortieren, sodass es vorkommen kann, dass die Giftpflanzen aus dem Heu, der Heulage und der Silage gefressen werden. Manche Giftpflanzen verlieren oder reduzieren ihre Giftwirkung durch den Konservierungsprozess, während andere ihre Giftwirkung beibehalten. (HEINRICH 2008) Adonisröschen, Kreuzkrautarten, sowie die Herbstzeitlose verlieren ihre Toxizität durch die Trocknung nicht (MEYER und COENEN 2014). Auch nach der Silierung sind Kreuzkraut und Herbstzeitlose nach wie vor giftig (HEINRICH 2008).

Auf der Weide ist darauf zu achten, dass die Pferde keinen Zugang zu giftigen Grünlandpflanzen, toxischen Sträuchern und Bäumen haben. Auch beim Weidezaun sollte auf die Verwendung von ungiftigem Holz Wert gelegt werden. (HEINRICH 2008)

„Gartenabfälle“ wie Kastanien, Eicheln, Heidekräuter und Hahnenfuß können eine schwere Darmentzündung nach ihrer Aufnahme verursachen und gehören deshalb nicht in die Reichweite der Pferde (GERBER et al. 2016).

Therapieunterstützende Fütterungsmaßnahmen

Hat ein Pferd giftige Pflanzen aufgenommen, sollte versucht werden, die Resorption der Giftstoffe im Organismus möglichst zu verhindern. Bewährt hat sich die mehrfache orale Gabe von Aktiv-Kohle. (HEINRICH 2008)

Zudem sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden, welcher unter Umständen den Mageninhalt mit den Giftpflanzen abhebern und den Patienten danach entsprechend weiter therapieren wird. (GERBER et al. 2016)

4.6.2. Toxische Darmerkrankungen durch sonstige Gifte

Entstehung, Ursachen und jeweilige Symptome

Sonstigen Gifte, die Pferde aufnehmen können, stammen aus Schädlingsbekämpfungsmitteln, Düngemitteln und Futterzusatzstoffen (MEYER und COENEN 2014). Jedoch können auch Metalle oder Pestizide giftige Stoffe enthalten, welche zu Vergiftungen führen können (GERBER et al. 2016).

Zu den Schädlingsbekämpfungsmitteln zählen die Rodentizide, Insektizide, Herbizide und Schneckengifte (GERBER et al. 2016).

Rodentizide werden vor allem in Räumen zur Lagerung von Futtermitteln zur Bekämpfung von Mäusen und Ratten angewandt, wo sie das Futter kontaminieren können. Die enthaltenen Wirkstoffe hemmen meist die Blutgerinnung des Tieres. (MEYER und COENEN 2014)

So kann es bei Pferden zu Reizungen im Magen-Darm-Bereich, sowie Hämatombildungen und Einblutungen in das Darmlumen kommen, was einen blutigen Kot zur Folge hat. Vergiftungen mit Pestiziden können jedoch auch Folge einer Parasitenbekämpfung beim Pferd sein. (GERBER et al. 2016)

Insektizide kommen zum Einsatz bei der Bekämpfung von Futtermilben, sowie bei der Desinfektion von Silos (MEYER und COENEN 2014). Sie können nach einer Aufnahme durch ein Pferd unter anderem zu einer Hyperperistaltik und Kolikerscheinungen führen (GERBER et al. 2016).

Herbizide wirken auf Säugetiere nur giftig, wenn die behandelte Fläche nach der Anwendung des Unkrautbekämpfungsmittels nicht vorschriftgemäß, zu schnell wieder genutzt wird. So kann eine Aufnahme von großen Mengen Glyphosat zu Niereninsuffizienz und gastrointestinalen Störungen wie Durchfall führen. (MEYER und COENEN 2014) Auch arsenhaltige Herbizide können zu einer akuten hämorrhagischen Darmentzündung mit Durchfall, Hyperperistaltik und Koliken, sowie einer Leber- und Nierendegeneration führen (GERBER et al. 2016).

Auch gut haftende Düngemittel können bei unsachgemäßer Verwendung Futtermittel kontaminieren. Grundsätzlich sollten die Hinweise zur Wartezeit nach dem Ausbringen des Düngemittels auf die Weide beachtet werden. (MEYER und COENEN 2014)

Es gibt einige, für Pferde hochtoxische Futterzusatzstoffe, welche für andere Tierarten zugelassen sind, wie beispielsweise die Ionophore für Geflügelfutter. Diese Zusatzstoffe können durch Kontaminationen oder Fehlmischungen ins Pferdemischfutter gelangen. Auch die Gabe von Futtermitteln, welche lediglich für eine andere Tierart bestimmt sind, kann zu Koliksymptomen führen. (MEYER und COENEN 2014)

Aber auch eine übermäßige Zufuhr des Spurenelements Selen, durch eine unsachliche Verabreichung von Zusatzfuttermitteln für Pferde und Medikamenten kann Vergiftungssymptome wie Durchfall hervorrufen (GERBER et al. 2016).

Wird eine für Pferde nicht getestete Einstreu verwendet und gefressen, kann auch diese unter Umständen zu Darmentzündungen führen. Auch die Wasserquelle sollte bei Durchfallerkrankungen nicht ganz außer Acht gelassen werden. Diese könnte das Wasser mit Blaualgen belasten. (GERBER et al. 2016)

Grundsätzlich können auch viele Medikamente toxisch wirken. Vor allem nicht steroidale Entzündungshemmer sind in der Lage Darmschädigungen zu verursachen. Auch Antibiotika jeglicher Art können eine akute Darmentzündung auslösen. (GERBER et al. 2016)

Vergiftungen durch Metalle werden heutzutage immer seltener. Alte Wasserrohre aus Blei können zu einer Bleivergiftung mit Durchfall und Koliken führen. (GERBER et al. 2016)

4.6.3. Toxische Darmerkrankungen durch Mykotoxine

Definition

Mykotoxine sind sekundäre Stoffwechselprodukte der Pilze. Zum Pilzbefall und zur Mykotoxinbildung im Rau- und Krippenfutter kann es vor der Ernte (Feldpilze) oder nach der Ernte, während der Lagerung (Lagerpilze) kommen. Die Wirkungen und der Wirkungsort der verschiedenen Mykotoxine im Pferdekörper sind je nach Toxin unterschiedlich. (MEYER und COENEN 2014)

Entstehung, Ursachen und jeweilige Symptome

Zu den Feldpilzen zählen vor allem Fusarium ssp. und Alternaria ssp.. Fusarien befallen Getreide und bilden unter anderem das Mykotoxin Deoxynivalenol (=DON). Die Wirkungen von Deoxynivalenol sind beim Pferd noch nicht vollständig erforscht, jedoch konnte die Verweigerung der Futteraufnahme nach hohen DON-Aufnahmen beobachtet werden.

Zudem können nach der Aufnahme von T2- und/oder HT2-Toxinen, gebildet von Fusarium und Trichoderma Unterarten im Getreide, Schleimhautläsionen und blutiger Durchfall auftreten. (MEYER und COENEN 2014)

Rotklee, Weißklee und Luzerne können vom Pilz Rhizoctomia leguminocola befallen werden, welcher das Mykotoxin Slaframin produziert. Dieses kann nach einer Aufnahme durch das Tier starke Speichelbildung zur Folge haben, weshalb die Erkrankung auch „Slobber Disease“ / „Speichelkrankheit“ genannt wird. Neben dem verstärkten Speicheln treten auch Fressunlust, Durchfall und ein vermehrter Harnabsatz auf.

In feuchtem Heu und Stroh kann Stachybotrys atra die Mykotoxine Satratoxin, Verrucarine und Roridine bilden, welche Schleimhautläsionen, Durchfall und Speichelfluss auslösen können. (MEYER und COENEN 2014)

Die Lagerpilze Aspergillus und Penicillium können das Ochratoxin A bilden, welches die Nieren schädigt. Spezies des Aspergillus können zudem Aflatoxine produzieren, die zu Leberschädigungen führen.  Belastet durch die Mykotoxine der Lagerpilze sind meist Mais und Weizen. (MEYER und COENEN 2014)

Auch das Mykotoxin Zearalenon bei Getreide, und Ergotalkaloide (Mutterkorn) bei Roggen und Grassamen kommen vor, führen jedoch primär nicht zu Störungen im Verdauungstrakt (MEYER und COENEN 2014).