3.2. Magengeschwüre

Definition

Magenulzera stellen die häufigste Erkrankung des Pferdemagens dar (GERBER et al. 2016). Zwischen 53% und 93% aller Pferde leiden unter Magengeschwüren, wobei Faktoren wie die Haltung und Nutzung des Pferdes eine wesentliche Rolle spielen. Besonders häufig scheinen jedoch Fohlen, Sport- und Rennpferde betroffen zu sein. (GEHLEN et al. 2014)

Entzündliche und ulzerative Magenschleimhautveränderungen werden  unter dem Begriff „Equine Gastric Ulcer Syndrome“ (EGUS) zusammengefasst.  Anhand unterschiedlicher Gradeinteilungen werden die Ulzerationen je nach Schweregrad eingestuft. (BECKER et al. 2017)

Entstehung und Ursachen

Ein Ungleichgewicht zwischen schleimhautschützenden und schleimhautschädigenden Faktoren ist die Ursache für die Entstehung von Magenulzera. (DAMKE 2008).

Da das Pferd kontinuierlich Salzsäure im Bereich der Drüsenschleimhaut produziert, ist es auf eine ständige Futteraufnahme angewiesen. Lediglich beim Kauen von Nahrung wird Speichel produziert, der im Magen durch seinen hohen Bikarbonatanteil als Puffer wirkt. Lange Nüchternzeiten führen folglich zur Senkung des pH-Wertes im Magen. Magenulzera sind schon nach einem Futterentzug von 27-36 Stunden zu finden. (DAMKE 2008)

Aber auch die Art der Nahrung, die das Pferd zu sich nimmt hat großen Einfluss auf den pH-Wert im Magen. Maßgeblich ist die Zeit, die das Pferd für das Kauen und Einspeicheln des Futters benötigt. Während das Pferd für die Aufnahme von einem Kilo Heu ca. 40min benötigt und dabei 3-5 l Speichel produziert, frisst es ein Kilo Kraftfutter in nur 10 Minuten bei einer Speichelbildung von 1-1,5 l/kg Kraftfutter. Mit der Kraftfutteraufnahme gelangt folglich weniger puffernder Speichel in den Magen. (DAMKE 2008)

Bei der Aufnahme von Nahrung wird die Ausschüttung von Gastrin stimuliert, welches die Sekretion von Magensäure und Bauchspeichel reguliert. Hinzu kommt, dass der Futterbrei aus Raufutter im Magen lockerer geschichtet ist, als der aus Kraftfutter, sodass die Verdauungssekrete und Magensäuren den Raufutterbrei besser durchsaften können, als den Kraftfutterbrei. Durch fermentative Prozesse im Magen nach der Aufnahme stärkereicher Futtermittel entsteht Milchsäure, welche den pH-Wert an der Magenwand senkt und so die Schleimhaut angreifen kann. (DAMKE 2008)

Weiter führt die schnelle Aufnahme von Krippenfutter durch die kurze Kauzeit zur starken Füllung des Magens. Die Entleerung des Magens verzögert sich, die Produktion von Salzsäure schreitet weiter fort, wodurch der Magen-pH weiter sinkt. Die Schleimhaut bleibt zudem länger in Kontakt mit dem sauren Mageninhalt, aufgrund der verzögerten Magenentleerung. (DAMKE 2008)

Die kutane Schleimhaut des Magens kommt in der Regel nicht mit dem sauren Nahrungsbrei in Kontakt. Nimmt das Pferd jedoch große Mengen Futter in kurzer Zeit auf, was bei großen Kraftfuttergaben häufig der Fall ist, berührt der Mageninhalt auch die drüsenlose Zone. Gleiches passiert durch Bewegung des Pferdes, bei starker Füllung des Magens direkt nach der Futteraufnahme. (DAMKE 2008)

Bei bestehenden Schädigungen der Magenschleimhaut ist häufig die Rückkopplung zwischen dem pH-Wert im Magen und der Gastrin- und Säureausschüttung gestört, was den pH weiter sinken lässt und somit die Schleimhaut weiter schädigt. (DAMKE 2008)

Weitere Faktoren, die die Entstehung von Magengeschwüren fördern, sind der Einsatz von nicht-steroidalen Entzündungshemmern (NSAIDs) und Langzeitbehandlungen mit Kortikosteroiden (BECKER et al. 2017). Aber auch alle Arten von Stress können, durch die Erhöhung des Kortisolspiegels, die Durchblutung der Magenschleimhaut vermindern und so die Entstehung von Magenulzera begünstigen (GERBER et al. 2016).

Es ist davon auszugehen, dass auch Koliken die Entstehung von Magengeschwüren fördern. Die Ursachen können hierbei mehrfaktoriell sein: Schmerzen, Stress durch die Untersuchungen und eventuell den Transport in die Tierklinik, lange Nüchternzeiten und der Einsatz von nicht-steroidalen Antiphlogistika. (GEHLEN, SCHMITZ und KLÄRING 2014)

Symptome

  • Zähneknirschen
  • häufiges Gähnen
  • vermehrtes Speicheln
  • verminderter Appetit
  • Unterbrechen der Futteraufnahme
  • verminderte Leistungsbereitschaft
  • Änderungen des Verhaltens
  • eher schlechtes Allgemeinbefinden
  • Gewichtverlust und Abmagerung
  • wiederkehrende leichte Kolikanzeichen, oft im Rahmen der Futteraufnahme
  • chronischer Durchfall
  • Verstopfungen und/oder Aufgasungen im Colon ascendes (BECKER et al. 2017; GERBER et al. 2016)
  • die Symptome spiegeln nicht den Schweregrad der Erkrankung wider (GERBER et al. 2016)

Diskutiert wird auch ein Zusammengang zwischen Koppen und Magenulzera, der bisher jedoch noch nicht wissenschaftlich bewiesen werden konnte. Aufgrund der vielen gemeinsamen auslösenden Faktoren wird aber von einem Zusammenhang ausgegangen, sodass man bei Koppern, das Vorhandensein von Magenulzerationen nicht außer Acht lassen sollte. (TOEWE 2014)

Therapieunterstützende Fütterungsmaßnahmen

Die Behandlung von Magenulzera kann durch schleimstoffbildende und schleimhautschützende Ergänzungsfuttermittel auf der Basis von Pektinen, Leinsamen und Bananenmehl unterstützt werden (DAMKE 2008).

Eingesetzt werden auch Antazida, in Form von Magnesiumoxid, Magnesium- und Aluminiumhydroxid,  Kalziumkarbonat oder Natriumbikarbonat. Diese wirken als neutralisierender Puffer auf die Magensäure, sind jedoch nur kurz wirksam und müssen deshalb häufig verabreicht werden. (DAMKE 2008; GERBER et al. 2016; MAY et al. 2012; TOEWE 2014) Allerdings muss beachtet werden, dass der Einsatz von pH-Wert-anhebenden Substanzen die Tätigkeit von Verdauungsentzymen negativ beeinflussen kann. Da der saure pH im Magen auch zu Abtötung von Bakterien aus dem Futter dient, kann auch dieser Mechanismus gestört werden. (DAMKE 2008) Durch die Säureneutralisation durch Natriumbikarbonat kann es zu Aufgasungen und Dehnungen der Magenwand kommen, was wiederum die Säureproduktion im Magen anregt. Zudem kann die Resorption von Natriumbikarbonat zu einer Hypernatriämie führen. Die Gabe von Magnesiumoxid kann abführend wirken, dagegen können Kalzium und Aluminium verstopfend wirken. (TOEWE 2014)

Weitere unterstützende und präventive Maßnahmen ergeben sich aus den auslösenden Faktoren. Mögliche Stressoren sollten ausgeschaltet werden, Haltung, Fütterung und Training sollten optimiert werden. (GERBER et al. 2016)

Die Optimierung der Fütterung stellt eine Notwendigkeit bei der Behandlung von Magenulzera dar. Auf stärkereiche Futtermittel sollte weitestgehend verzichtet werden. Stattdessen kann über die Gabe von Ölen der Energiebedarf gedeckt werden. Es sollten maximal 0,3kg Kraftfutter/100kg Körpergewicht pro Mahlzeit verfüttert werden. (MEYER, COENEN 2014) Die Futtermenge sollte auf so viele kleine Mahlzeiten wie möglich verteilt werden (BECKER et al. 2017). Zudem empfiehlt sich das Mischen von Kraftfutter mit Strukturkomponenten, welche die Kautätigkeit anregen und die Kauzeit verlängern (DAMKE 2008; TOEWE 2014). Eingesetzt wird auch Luzerneheu, das auf den Magen-pH eine erhöhende Wirkung zu haben scheint (NADEAU et al. 2000). Luzernehäcksel hingegen sollten nicht verfüttert werden, da diese zu Verletzungen am Pylorus führen können (MEYER und COENEN 2014).

Heu sollte bestenfalls ad libitum angeboten werden und darf die Menge von 1,5kg/100kg Körpergewicht auf keinen Fall unterschreiten. Zu empfehlen ist auch ganztägiger bzw. mehrstündiger Weidegang. Die Heufütterung sollte vor der Kraftfuttergabe erfolgen, um die Speichelbildung anzuregen. Lange Nüchternzeiten über 6 Stunden sind zu vermeiden, sowie Belastung und Training des Pferd 3 Stunden nach der Kraftfuttergabe.  (MEYER und COENEN 2014) Das angebotene Futter sollte immer eine einwandfreie hygienische Qualität aufweisen (DAMKE 2008).